Wie Windkraft-Macher Wasserwege nutzen

Verladung Turmteil einer Windenergieanlage auf ein Binnenschiff
Ein am Rendsburg Port gefertigter Hybridturm ist komplett 140 Meter hoch und über 1.000 Tonnen schwer – seine 17 Betonringe werden in Halbschalen geteilt. Das Segment, das hier ein Schwerlast-Mobilkran aufs Schiff lädt, ist über 5 Meter breit und 40 Tonnen schwer. Foto: PURE.

07.06.2016 Rendsburg. Zurück auf die Schulbank – in Deutschlands einzigem Beruflichen Gymnasium für Erneuerbare Energien fragt Lehrer Karsten Zumholz: „Warum können wir in Deutschland kein Wellenkraftwerk errichten?“ Seine Schüler kommen diesmal nicht nur aus der 11. Klasse: Es sind Gäste zur Schnupperstunde geladen.

Rund ein Dutzend Redakteure verschiedenster Magazine, Vertreter von Unternehmen und der Wirtschaftsförderung folgen dem Unterricht ebenso gebannt wie den Ausführungen der Schüler. „Erneuerbare Energien sind unsere Zukunft“, betont ein 16-Jähriger. Windräder findet er nicht störend, sondern „weitaus angenehmer als den Smog eines Kohlekraftwerks“.

Die Westküste Schleswig-Holsteins stellt als führende Windenergieregion heute die höchste Anlagendichte in ganz Deutschland. Und hier zwischen Nord- und Ostsee liegt einer der windreichsten Landstriche der Bundesrepublik. Das nördlichste Bundesland deckt nahezu 100 Prozent seines Bruttostromverbrauches durch Windenergie. In Rendsburg, Husum, Norderstedt und Co. sind weiterhin Pioniere aktiv, werden Komponenten gefertigt und Windenergieparks entwickelt.

Rendsburg, auf dem Weg von Hamburg nach Sylt am Nord-Ostsee-Kanal gelegen, reagierte 2012 mit der Eröffnung von „Rendsburg Port“. Der erste und einzige Schwer­lasthafen Schleswig-Holsteins ist mit 50 Hektar Gewerbefläche verbunden, die samt Straßen der höchsten Bauklasse ebenfalls für Schwergut ausgelegt sind und die Endmontage sowie Produk­tion großer Güter direkt am Hafen erlauben.

Das ist für diverse Branchen interessant, doch als erste kamen die „Windkraft-Macher“. Deutschlands größtes privates Bauunternehmen etwa, Max Bögl aus Bayern, fertigt hier seit Juli 2014 rund 200 Türme für Windkraftanlagen pro Jahr und verschifft gut 60 Prozent in alle Welt.

Nachhaltig und effizient: Ein Schiff statt 35 Schwerlast-LKW

Verladung von Turmteilen einer Windenergieanlage
Piepend senken sich die Seile des Travel-Lifts herab. Via Kamera werden sie exakt in die Ösen der Halbschale gelenkt. Dann zieht die Hydraulik das Schwergewicht nach oben, um es auf einem Spezial-LKW oder Rolltrailer zu platzieren, wie Günter Scharfschwerdt von Max Bögl demonstrierte. Foto: PURE.

„Es ist für uns nachhaltig und effizient, den Transport aufs Wasser zu verlagern. Ein einziger Hybridturm ist immerhin rund 140 Meter hoch und über 1.000 Tonnen schwer“, erläutert Werksleiter Karsten Penner. Und das bedeutet: Für den Transfer über Land wären bis zu 35 Schwerlast-LKW-Transporte nötig. Auf dem Wasserweg aber reist ein ganzer Turm pro Schiff.

Ein solcher Windkraftturm kann z.B. aus 17 Betonringen bestehen, die als Ganzringe oder zusammengesetzte Halbschalen gefertigt werden. Sie werden als Segmente zu je 25 bis 45 Tonnen aufs Schiff verladen – leichtes Spiel für die zwei Schwerlast-Hafenmobilkrane, die im Tandembetrieb bis zu 250 Tonnen umschlagen können. „Auf dem 37.000 qm großen Terminal erfolgt die Verladung bei 90 t/qm Flächenbelastung“, beschreibt Kai Lass.

Als Geschäftsführer von Rendsburg Port Authority leitet er eines der modernsten und leistungsfähigsten Zentren für Schwerlastlogistik in Nordeuropa. Gemeinsam mit Sven Hargens, Prokurist der Hafenbetreiberin Rendsburg Port GmbH, führte er Journalisten und Unternehmer aus ganz Deutschland über den Schwerlasthafen und zu den spannenden Anlaufpunkten in der Nachbarschaft, darunter das Berufliche Gymnasium für Erneuerbare Energien (BGEE).

Berufliche Zukunft mitten im Energie-Cluster

Hier werden rund 160 Schülerinnen und Schüler inmitten des Energie-Clusters um Rendsburg Port spezialisiert auf ihre berufliche Zukunft vorbereitet. Seit der Eröffnung 2010 ist der Andrang alljährlich größer als die Kapazitäten. Nach Realschule oder 10. Gymnasial-Klasse entscheiden sich pro Jahr mehr als 60 Jugendliche, ihr Abitur mit dem Schwerpunkt Erneuerbare Energien zu absolvieren.

Auffällig: Der Frauenanteil der Schüler liegt mit gut 30 Prozent weit über dem Durchschnitt Ingenieur-orientierter Studiengänge (unter 10%). Und der weitaus größte Anteil stammt aus der Region, in der sich Wind als Motor der Wirtschaft bewiesen hat. Am Wasser sorgt er zugleich für Freude beim Segeln und Surfen – da müsste doch ein Wellenkraftwerk drin sein? Auf keinen Fall, sagt Lehrer Zumholz, da die deutschen Wattenmeere unter Naturschutz stehen. Zudem koste eine Kilowattstunde Wellenstrom bisher bis zu zehn Cent, also doppelt soviel wie Windenergie.

www.heavydutyport.de